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Patentfälle gehen europaweit zurück – Gerichte berichten jedoch von zunehmender Komplexität

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Das hat JUVE Patent am Mittwoch berichtet die sieben großen Patentgerichte in Deutschland verzeichneten im Jahr 9 insgesamt einen Rückgang der Neufälle um 2020 %. Dieses Ergebnis ist nur ein Ergebnis der vierten Erhebung von JUVE Patent zu neu eingereichten Fällen bei deutschen Patentgerichten. Nun zeigen weitere Untersuchungen, dass die anderen großen europäischen Patentgerichte einen ähnlichen Trend erleben.

Ob in Düsseldorf, Mannheim, Mailand, Paris, London oder Den Haag, die Zahl der neu eingereichten Patentfälle geht fast überall zurück. Lediglich in München, das kürzlich eine dritte Patentkammer eröffnete, stiegen die Zahlen zuletzt.

Patentgerichte, Europa

Patentfälle in Großbritannien sinken

Wie in Deutschland verzeichnete der erstinstanzliche High Court des Vereinigten Königreichs im Jahr 2020 einen Rückgang, so die Statistik des Justizministeriums. Insgesamt haben die Parteien zuletzt 52 neue Klagen zu technischen Schutzrechten eingereicht. Dies entspricht einem leichten Rückgang von knapp 5.5 % gegenüber dem Vorjahr. Im Jahr 2018 war die Zahl jedoch mit 40 eingereichten Klagen noch niedriger.

Demgegenüber verzeichnete der High Court in den beiden Vorjahren deutlich mehr neue Patentklagen. Während 2016 insgesamt 71 Fälle verzeichnet wurden, stieg die Zahl 85 auf 2017. Mit elf im ersten Quartal 2021 eingereichten Klagen entspricht das britische Gericht in etwa den zehn im selben Quartal 2020 eingereichten Klagen.

Zudem hat auch Frau das Gewerbegericht für geistiges Eigentum (IPEC) verhandelt Patentstreitigkeiten von kleinen und mittelständischen Unternehmen, die meist von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung sind. Das IPEC ist jedoch nicht Teil des High Court. Nach Angaben des Justizministeriums liegen beim IPEC insgesamt 156 neue Klagen vor. Dies entspricht einem Rückgang von 28 % gegenüber den 217 Fällen, die im Vorjahr eingereicht wurden.

Das Gericht unterscheidet jedoch Fälle im Zusammenhang mit technischen Schutzrechten nicht von anderen Arten von IP-Fällen. Als solche repräsentiert die Zahl alle neuen IP-Klagen. Branchenexperten schätzen den Anteil der Patentstreitigkeiten an den IPEC-Verfahren auf 15-20%.

Nach der Krise

Zu den jüngsten hochrangigen Patentstreitigkeiten vor dem High Court gehören Sisvel gegen Xiaomi und Oppo über Mobilfunkstandards, und der Fall zwischen British American Tobacco und Philipp Morris über E-Zigaretten.

Allerdings erst vor zwei Jahren Die britische Justiz war mit einer Krise konfrontiert. In den Jahren 2019 und 2020 ging die Zahl der IP- und Patentspezialisten am britischen High Court zurück. Nur zwei Richter, Colin Birss und Richard Arnold, blieben übrig, um das Schiff vor dem High Court zu steuern. Aber ihre Beförderung zum Berufungsgericht schuf bald zwei weitere Plätze beim Gericht erster Instanz.

Birss ist am bekanntesten für sein wegweisendes Urteil im Streit zwischen Unwired Planet und Huawei. Der britische High Court hat als erstes Gericht globale FRAND-Lizenzen für SEP festgestellt. Ein Anwalt sagte gegenüber JUVE Patent: „Er ist wohl verantwortlich für die einflussreichste FRAND-Rechtsprechung in Europa“. Andere loben ihn für seinen „Anspruch, die britischen Gerichte effizienter und kostengünstiger zu machen“ und als „einen Expertenstrategen mit echtem Richterhandwerk und erstklassiger Erfahrung und Expertise“.

Aber ab Herbst 2020 begann das Judicial Appointments Committee (JAC) damit, die Lücken zu füllen. Im September 2020 und Januar 2021 wurden Richard Meade und James Mellor die nächsten IP-Spezialrichter des britischen High Court.

Die Ernennungen zerstreuten die Besorgnis über die Fähigkeit der britischen Gerichte, hochrangige, hochkarätige und hochtechnische Patentfälle anzuhören. Die JAC wählte Kandidaten aus, die dem Ruf ihrer Vorgänger mehr als gerecht werden konnten. Anwälte loben Meade bereits als „einen robusten Entscheidungsträger“, der vor seiner Ernennung zum Richter am High Court „einer der angesehensten QCs für geistiges Eigentum“ war.

Die Niederlande führend im grenzüberschreitenden Bereich

Der Gerichtshof Den Haag ist das Gericht erster Instanz in den Niederlanden, das sich mit Patentsachen befasst. Allerdings hat auch sie einen Rückgang der Klagen von Parteien zu verzeichnen. Laut dem Jahresbericht 2020 des Gerichts verzeichnete das Gericht 131 neu eingereichte Fälle. Das sind rund 8.4 % weniger als die 143 von den Parteien im Jahr 2019 eingereichten Fälle. Das Gericht hat auch weniger Fälle beigelegt und entschieden über 103 statt der 155, für die es budgetiert hatte.

Dem Bericht zufolge trug vor allem die steigende Komplexität der Verfahren zum Rückgang bei.

Wie Großbritannien, Deutschland und Frankreich wenden sich Unternehmen bei technisch komplexen gesamteuropäischen Patentstreitigkeiten zunehmend an die Niederlande. Zum Beispiel schwedischer Mobilfunkanbieter Ericsson verklagt Samsung in den Niederlanden, Belgien und Deutschland wegen Verletzung von Mobiltelefonpatenten zu Jahresbeginn.

Kurz darauf kündigten beide Parteien eine mehrjährige Vereinbarung über globale Patentlizenzen an. Dazu gehören Patente in Bezug auf alle Mobilfunktechnologien und 5G. Sisvel hat auch Klagen gegen Xiaomi und Oppo eingereicht im Rahmen seines globalen SEP-Rechtsstreits.

Laut Jahresbericht trugen auch die Coronavirus-Maßnahmen dazu bei, dass weniger Fälle geregelt wurden. Dies liegt daran, dass das Gericht das Verfahren zunächst nicht persönlich führen konnte.

Frankreich bereitet sich auf SEPs vor

Seit 2018, als die renommierte französische Richterin Marie Courboulay in den Ruhestand ging, hat sich beim erstinstanzlichen Tribunal judiciaire (ehemals Tribunal de grande instance) in Paris eine neue Richtergruppe gebildet.

Patentanwälte loben insbesondere die Vorsitzende Richterin Nathalie Sabotier und die Stellvertreterin Carine Gillet. Ein Anwalt sagt: „Sie bringen Patentstreitigkeiten in Frankreich auf eine andere Ebene“. Die Prozessanwälte begrüßen auch, dass Sabotier und Gillet in die zum Teil technisch hochkomplexen Falldetails einsteigen. Damit haben sich die beiden Richter ein für die französische Justiz sonst ungewöhnliches Fachwissen angeeignet, wobei Richter dazu neigen, regelmäßig zwischen anderen Gerichten und Fachgebieten zu wechseln.

Nach Angaben der für geistiges Eigentum zuständigen Kammer gingen im Jahr 2020 beim erstinstanzlichen Tribunal Judiciaire in Paris 84 Patentklagen ein. Im gleichen Zeitraum erließ das Gericht 76 Urteile, von denen 36 auf andere Weise endeten.

Das Pariser Gericht verhandelt prominentere Fälle, von denen einige paneuropäisch sind, wie z Verfahren zwischen Philips und TCL. Das Gericht urteilte auch in dem hochrangigen Urteil Eli Lilly vs. Fresenius Kabi, in dem das Gericht Eli Lilly 28 Millionen Euro Schadensersatz zusprach. Dies ist eine der höchsten Summen, die bisher in einem französischen Patentstreit verzeichnet wurden.

Paris war auch Schauplatz der Eröffnungsanhörung in den europaweiten Streit zwischen Intellectual Ventures und verschiedenen Mobilfunkunternehmen. In Frankreich betraf der Fall vor allem Orange und Bouygues Telecom. Vorbei sind die Zeiten, in denen Frankreich im Ruf stand, zugunsten von Patentnutzern zu entscheiden. Nun loben Patentanwälte namhafter Anwaltskanzleien die Richter als „sehr unabhängig“.

Damit etabliert sich das Pariser Gericht zunehmend als attraktiver Standort für hochkarätige Patentstreitigkeiten.

Italien für Pharmapatentfälle

Auch Italien rückt zunehmend in den Fokus der europäischen Patentgemeinschaft, insbesondere bei europaweiten Arzneimittel- und Biosimilar-Streitigkeiten. Tatsächlich spielen italienische Patentgerichte in allen wichtigen europäischen Arzneimittelstreitigkeiten eine Rolle. Dies liegt entweder an der Bedeutung des italienischen Marktes für den Hersteller oder daran, dass es das Land ist, das das strittige Produkt herstellt.

Besonders das Patentgericht in Mailand unter dem Vorsitz von Richter Claudio Marangoni wird von den Parteien als sehr kompetent in Arzneimittelstreitigkeiten angesehen. Exklusiv für JUVE Patent meldete die IP-Kammer des Tribunale di Milano für 58 insgesamt 2020 neue Hauptverfahren sowie rund 50 einstweilige Verfügungsverfahren.

Ähnlich wie die Gerichte in den anderen Ländern verzeichnete auch das Mailänder Gericht einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr. Im Jahr 2020 sah das Gericht 77 Hauptverfahren und 57 einstweilige Verfügungsverfahren. Darüber hinaus hat das Gericht 24 Fälle per Urteil entschieden und weitere 35 Fälle auf andere Weise beigelegt.

PI-Verfahren im Wesentlichen

Die Möglichkeit, relativ schnell eine einstweilige Verfügung zu erwirken, ist ein strategischer Vorteil. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass die italienischen Gerichte PI-Verfahren wie in einem Hauptverfahren führen. Dabei prüft das Gericht auch die Patentgültigkeit. Erzielen die Parteien in Italien eine positive Entscheidung, kann dies für Verfahren in anderen Ländern von Vorteil sein. Bayer hat gegen Ceva ein solches Verfahren wegen Verletzung eines veterinärmedizinischen Präparats zur Behandlung von Ferkeln geführt.

Unternehmen wenden sich auch an italienische Gerichte, wenn der Absatzmarkt interessant ist. So, Italien ist Schauplatz vieler europaweiter Patentfälle, wie der Streit zwischen British American Tobacco (BAT) und Philip Morris über die aufkommende E-Zigaretten-Technologie „Heat not burn“. Es beherbergt auch einen Teil des Streits zwischen Edwards Lifesciences und Meril Life Sciences über die Herzklappentechnologie.

Auch NPE Sisvel geht in ihrem Heimatland gegen chinesische Handyhersteller wie Xiaomi, Oppo und One Plus vor. Laut einem IP-Partner einer Full-Service-Firma überwiegen jedoch bisher „Pharma-Streitigkeiten die SEP-Streitigkeiten bei weitem, und Italien importiert die meisten Fälle“.

Patentfälle in der Zukunft

Es ist unklar, inwieweit sich die Coronavirus-Pandemie auf rückläufige Zahlen bei den meisten Patentgerichten ausgewirkt hat. Als die Gerichte im Frühjahr 2020 ihre Türen schlossen, gingen Marktexperten davon aus, dass sich dies negativ auf die Arbeit der Patentkammern auswirken würde.

Nach Gerichtsschließungen und der Einstellung des Verfahrens ab März 2020 nahmen die meisten Gerichte in Europa jedoch Mitte des Jahres oder sogar schneller als erwartet – oft digital – die Prozesstätigkeit wieder auf. So führte das Amtsgericht Den Haag Ende April die Sisvel-Klage gegen BKK, Oppo, OnePlus und Wiko per Video.

In Großbritannien hatte Colin Birss – damals noch am High Court – bereits Ende März die erste Patentanhörung per Skype durchgeführt. Als die Sperrung im vergangenen Sommer nachließ, führte das Gericht auch ein Hybridsystem ein. In Deutschland hat das Landgericht München frühzeitig Videoanhörungen durchgeführt. Die 7. Zivilkammer führte Ende April 2020 ihren ersten Fall.

In Frankreich hat sich diese Art der Anhörung in Patentfällen jedoch nicht durchgesetzt. In einem Interview mit JUVE Patent bestätigte die erste Präsidentin und Richterin des Tribunal judiciaire de Paris, Nathalie Sabotier, dass einen Fall allein durch schriftliche Eingaben zu beurteilen, ist für Patentfälle unzureichend.

In großen Verfahren, in denen nur eine begrenzte Anzahl von Personen im Gerichtssaal zugelassen ist, können jedoch auch Beteiligte, die nicht aktiv an der mündlichen Verhandlung teilnehmen, per Video teilnehmen. Diese Funktion hat beispielsweise die zweitägige Eröffnungsverhandlung im Streit zwischen Intellectual Ventures gegen Orange und Bouygues Telecom genutzt.

Patentkammern setzen sich mit Zukunftstechnologien auseinander

Auch wenn die Zahl der Verfahren insgesamt sinkt, nimmt die Komplexität der Fälle überall zu. Dies gilt insbesondere in Bezug auf neue Technologien wie 5G und vernetzte Autos. Dies stellt die Gerichte nicht zuletzt personell vor Herausforderungen. Eine jüngere Generation von Patentrichtern, die der Digitalisierung aufgeschlossener gegenüberstehen, übernimmt zunehmend das Ruder.

Daher überrascht es nicht, dass Patentkammern oft Vorreiter bei der Umstellung auf Video-Anhörungen sind. Die Gerichte stellen sich schnell auf technische Herausforderungen ein – nicht nur in äußeren Umständen, sondern auch in Bezug auf die Verfahren selbst.

Auch die wirtschaftliche Lage der Unternehmen habe sich nach Einschätzung der Hausanwälte auf ihre Prozessfähigkeit ausgewirkt. Dies jedoch in geringerem Maße als die technischen und organisatorischen Herausforderungen der Pandemie.

Der Patentchef eines deutschen Automobilzulieferers sagt: "Die großen, wichtigen Patentstreitigkeiten gehen mit der gleichen Härte wie vor der Pandemie weiter." Er fügt hinzu, dass ihre Komplexität sogar zunimmt. „Bei kleinen, wirtschaftlich weniger bedeutsamen Fällen wird jedoch oft die endgültige Entscheidung nicht gestellt.“

„Viele kleine und mittelständische Unternehmen sind derzeit sehr zurückhaltend mit Klagen“, sagt der IP-Chef eines deutschen Technologieunternehmens. Die Statistiker des Europäischen Patentgerichts unterscheiden jedoch nicht zwischen einer neuen SEP-Klage von Nokia gegen Daimler oder zwei mittelständischen Unternehmen, die sich um eine neue Technologie streiten.

Lesen Sie den ersten Teil des exklusiven Fallnummernberichts von JUVE Patent: Das Münchner Gericht fordert Düsseldorf wegen des Rückgangs deutscher Patentfälle um Spitzenposition heraus.

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Quelle: https://www.juve-patent.com/news-and-stories/legal-commentary/patent-cases-decline-across-europe-but-courts-report-increasing-complexity/

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