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Dehnungsinvariantes und elastisches Material für weiche Leiter (mit Video)

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01 (Nanowerk-Neuigkeiten) Klassische Roboter, wie sie beispielsweise in der Fertigung eingesetzt werden, können schwere Lasten heben und automatisierte Prozesse präzise wiederholen. Für heikle Arbeiten und die Interaktion mit Menschen sind sie jedoch zu starr und sperrig. Der Forschungsbereich Soft Robotics beschäftigt sich mit der Entwicklung von Robotern aus weichen, organischen Materialien und flexiblen technischen Komponenten. Materialforscher der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben nun ein neuartiges weichleitendes Material entwickelt. Im Gegensatz zu herkömmlichen weichen Leitern weist es selbst bei Verformung bemerkenswert stabile elektrische Eigenschaften auf. Der Grund dafür ist die besondere Struktur des Materials und eine nanoskopisch isolierende Dünnfilmbeschichtung. Seine Ergebnisse veröffentlichte das Forscherteam in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Fortgeschrittene Funktionsmaterialien („Dehnungsinvariante, hoch wasserstabile rein organische Weichleiter auf Basis ultraleichter mehrschichtiger schaumartiger Gerüststrukturen“). Die schematische Darstellung zeigt, wie die Grundstruktur des Materials komprimiert wird, ohne zerstört zu werden Die schematische Darstellung zeigt, wie die Grundstruktur des Materials komprimiert wird, ohne zerstört zu werden. (Bild: Uni Kiel)

Konstanter elektrischer Widerstand auch bei Verformung

Anders als klassische Roboter können Menschen und Tiere flüssige und feine Bewegungen ausführen und diese an ihre Umgebung anpassen. Die von der Natur inspirierte Soft-Robotik setzt daher auf elastische, organische Materialien aus Kohlenstoff statt auf herkömmliche, starre Metalle. Darüber hinaus benötigen „weiche“ Roboter elastische elektrische Leiter für die Kommunikation zwischen ihren Sensoren und Aktoren. „Herkömmliche Leiter aus Metall leiten den Strom zwar gut, sind aber zu starr für flexible Bauteile. Bei Verformung verändern sie ihren elektrischen Widerstand, was sich auf ihren Einsatz in der Soft-Robotik auswirkt“, sagt Dr. Fabian Schütt, Leiter der Nachwuchsgruppe „Multiscale Materials Engineering“ am Lehrstuhl für Funktionelle Nanomaterialien der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Im Gegensatz dazu bleibt der Widerstand des Materials, das Schütt gemeinsam mit Kollegen am Institut für Materialwissenschaft der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel entwickelt hat, bei Verformung konstant. „Sowohl die anfänglichen elektrischen als auch mechanischen Eigenschaften bleiben bei Langzeitzyklen erhalten, selbst nach 2000 Zyklen bei 50 % Kompression“, sagt Igor Barg, Doktorand am Lehrstuhl für Mehrkomponentenmaterialien und Erstautor des Artikels. Durch die Kombination verschiedener Expertisen im Forschungsschwerpunkt KiNSIS (Kiel Nano, Surface and Interface Science) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel entstand ein Material aus feinen Drähten, das wie ein dunkler Schwamm aussieht. Die Drähte bestehen aus miteinander verbundenen Mikroröhrchen aus einem elektrisch leitfähigen Polymer. Diese zarte Netzwerkstruktur macht das Material ultraleicht und gleichzeitig äußerst elastisch. Unter dem Rasterelektronenmikroskop sieht die Grundstruktur eines Materials aus wie ein poröser Schwamm Unter dem Rasterelektronenmikroskop sieht das Material in seiner Grundstruktur aus wie ein poröser Schwamm, der sich leicht komprimieren lässt. (Bild: Uni Kiel)

Der nanoskopische Isolierfilm schützt die elektrischen Eigenschaften des Materials

„Dehnbare, schwammartige Leiter werden bereits seit mehreren Jahren erforscht. Doch sobald sie verformt werden, verändert sich durch den sogenannten piezoresistiven Effekt auch ihr Widerstand“, erklärt Barg. Um diesen Effekt zu vermeiden, beschichtete das Team sein Material mit einem nichtleitenden, nanoskopischen dünnen Film aus Polytetrafluorethylen (PTFE). „Man kann es sich wie ein klassisches Stromkabel vorstellen“, sagt Barg. Die Schicht verhindert, dass die Drähte beim Komprimieren direkt miteinander in Kontakt kommen und neue elektrisch leitende Pfade entstehen. Dadurch bleibt der Widerstand auch bei großen Verformungen konstant. Die Isolierung verbessert außerdem die mechanische Stabilität der Drähte und schützt ihre elektrischen Eigenschaften vor äußeren Einflüssen wie Feuchtigkeit. Um diese hochporöse Gerüststruktur zu beschichten, ist eine spezielle Technik erforderlich. Dr. Stefan Schröder ist Leiter der Nachwuchsgruppe „Funktionelle CVD-Polymere“ am Lehrstuhl für Mehrkomponentenmaterialien und beschäftigt sich mit der initiierten chemischen Gasphasenabscheidung (iCVD). Dadurch ist es möglich, auch Materialien mit komplexen Strukturen und Oberflächen konform zu beschichten: Durch das Zusammenbringen verschiedener Gase in einem Reaktor kommt es zu einer chemischen Reaktion und ein dünner Polymerfilm beginnt auf dem zu beschichtenden Material zu wachsen. „Da diese Beschichtung nur wenige Nanometer dünn ist, bleiben die Drähte elastisch und das Gesamtgewicht des Materials erhöht sich kaum“, erklärt Schröder.

[Eingebetteten Inhalt]

Das Video demonstriert die mechanischen Eigenschaften einer ultraleichten mehrschichtigen schaumartigen Gerüststruktur. RECHTS: Aero-PTFE-PEDOT:PSS und LINKS: Aero-PEDOT:PSS. Das Hinzufügen einer isolierenden Polytetrafluorethylen-PTFE-Dünnfilmbeschichtung (~ 23 nm) mittels initiierter chemischer Gasphasenabscheidung (iCVD) auf dem Aero-PEDOT:PSS verbessert die mechanischen Eigenschaften und die Langzeitstabilität drastisch.

Auch Anwendungen in der Medizintechnik sind denkbar

„Dieses Beispiel zeigt sehr gut, wie wir durch nanoskalige Beschichtung die Eigenschaften unserer bis zu mehreren Kubikzentimeter großen Gerüststrukturen gezielt verändern und sogar völlig neue Funktionen schaffen können“, sagt Schütt. „Durch die Kombination unserer Methoden könnten in Zukunft weitere, auch kommerzielle Anwendungen möglich sein, beispielsweise in der Medizintechnik oder der Energiespeicherung“, fügt Schröder hinzu. Diese Möglichkeiten wollen sie nun in weiteren gemeinsamen Forschungsprojekten untersuchen.
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